Ein besonderes Ausstellungsstück im Obergeschoss des Museums ist eine etwa 100 Jahre alte und kunstvoll bestickte Fahne des "Freien Turn- und Sportvereins Wismar", die seit Anfang der 2000er-Jahre zur SCHABBELL-Sammlung gehört. Sie wurde dank einer großzügigen Spende der Fielmann AG restauriert. Die Fahne, die am 14. März 2023 von Mathias Menzenhauer von der Fielmann-Filiale Wismar an Annette Seiffert vom Museumsförderverein übergeben wurde, kann schon seit einigen Wochen bewundert werden.
Die Fahne ist 129 mal 124 Zentimeter groß. Sie besteht aus zwei aufeinander liegenden Stoffschichten. Auf der einen Seite - auf rotem, per Hand gesticktem Wollstoff - ist ein junger Mann zu sehen, der eine kleine Fahne in die Höhe streckt. Mit der anderen Hand hält der Sportler ein Schild mit den Wismarer Farben Weiß und Rot. Dazu gesellen sich unter anderem Eichenzweige, eine Schleife, die Aufschrift "Uebung stählt die Kraft / Kraft ist was Leben schafft" und die Wörter "Frisch", "Stark", "Frei" und "Treu" in den vier Ecken der Fahne. Auf der anderen Seite, auf grünem Wollstoff, steht "Freier Turn u. Sport Verein "Vorwärts" Wismar" sowie "gegr. 1900". Daneben sind Ornamente und ein Monogramm mit den Buchstaben F, T und S zu sehen.
Den 2,72 Meter großen Mast aus schwarz lackiertem Holz zieren eine goldfarbene Kreuzblume und mehrere gravierte Metallplättchen, die mit Nägeln fixiert sind. Die Fahne mit goldfarbenen Fransen aus Metallfäden auf drei Seiten wurde mit sieben kleinen Metallringen am Mast befestigt.
Das Ausstellungsstück hat Rosemarie Selm restauriert. "Die gewebten Wollstoffe waren stabil, aber mit erheblichen Schäden. Es gab ausgefranzte, abgewetzte und verschmutzte Stellen, einige Motten-Löcher und Deformationen", sagte die Textil- und Lederrestauratorin aus Preetz. "Teilweise fehlten die Goldfransen. Auch der Mast hatte im Laufe der Dienstjahre gelitten - mit Beulen, Flecken, Lackverlust und dem Verlust von vier Metall-Plaketten."
Für das Restaurieren der Fahne und des Mastes benötigte Rosemarie Selm zwischen August und Oktober 2022 etwa 100 Arbeitsstunden. "Das Hauptproblem waren die verschmutzten, verwickelten und ausgeleierten Stickerei-Fäden aus Rayon, einer künstlich hergestellten Faser. Mit viel Mühe habe ich die Fäden gesichert, gerichtet und mit farblich passendem Seidentüll eingehüllt", sagte die Fachfrau. Beschädigte Fransen mussten rekonstruiert und die Plaketten am Mast gereinigt werden. Für das Befestigen an der Wand verwendete die Diplom-Konservatorin aus Schleswig-Holstein starke Neodym-Magnete und eine Metallleiste.
Wie teuer die Restaurierung war, wollte Dr. Constanze Köster von der Fielmann AG nicht sagen. Sie sprach nur von einem "mittleren vierstelligen Betrag". Dafür gab es das Versprechen, das SCHABBELL weiter mit Schenkungen und der Restaurierung von Ausstellungsstücken zu unterstützen.
Dafür und für den Einsatz des Museumsfördervereins dankte Bürgermeister Thomas Beyer. "Es ist schön, dass die Geschichte den Museumsbesucherinnen und -besuchern mit solchen Objekten nahegebracht und lebendig gemacht wird", so der Verwaltungschef. "Dies macht Lust, sich näher mit den 1920er-Jahren zu befassen."
"Vereinsfahnen gehörten zur repräsentativen und traditionsbewussten Außendarstellung im Vereinswesen", berichtete Adina-Therése Kolenda. "Die Mitglieder bezeugten ihre Zugehörigkeit zum Verein, wenn sie bei großen Veranstaltungen hinter der Fahne gingen und sich so präsentierten. Fahnenweihen waren mehrtägige Feste mit Tanz und Musik", sagte die Kuratorin der Sonderausstellung.