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Karstadt - Ausstellungstexte

Expansion bis in die 1990er-Jahre

Das Auto als privates Massenverkehrsmittel führte zu gravierenden Veränderungen in der Raumordnung der Städte und ihrer Umgebung. Parkhausbauten, die an Warenhäuser angeschlossen waren, nahmen zu. Die Entstehung von Einkaufszentren auf der "grünen Wiese" führte zu Standortverschiebungen bei den Filialgründungen. Die Verkaufsmethoden der Warenhäuser mussten Jahr um Jahr verfeinert werden. "Shop-in-Shop"-Konzepte mit zum Teil exklusiven Bereichen, wie Erfrischung, Cafés und Restaurants, wurden in Warenhäuser integriert. Zwischen 1960 und 1970 gelang es den großen Warenhausunternehmen, ihre Umsätze mehr als zu verdoppeln.

Die Zentralisierung der Verwaltung erfolgt bei Karstadt 1969 mit Sitz in Essen-Bredeney. Die Rudolph Karstadt AG wurde zum größten Warenhauskonzern in der Bundesrepublik.

1977 erwarb Karstadt zunächst eine Mehrheitsbeteiligung an der Neckermann Versand AG und wurde mit einem Jahresumsatz von 10,62 Milliarden Deutsche Mark zum größten Handelsunternehmen in der Bundesrepublik. Im selben Jahr wurde die Auflösung der als Niedrigpreissparte fungierenden Kette Kepa Kaufhaus GmbH beschlossen.

Das Jahrzehnt 1970-1980 war durch Diversifizierung und Spezialisierung in zukunftsorientierte Sortimentsbereiche gekennzeichnet, wie Einstieg ins Reisegeschäft, Möbel- und Einrichtungen sowie Sport. Für die Diversifikation finden ehemalige Neckermann-Häuser sowie Kepa-Filialen Verwendung. Mit einem Umsatz in Höhe von knapp 12,6 Milliarden Deutsche Mark und fast 85.000 Mitarbeitern wurde der Karstadt-Konzern eines der größten Einzelhandelsunternehmen außerhalb der USA. 1984 erfolgte die komplette Übernahme von Neckermann und die Eingliederung in die Konzernstruktur. In dieser Zeit hat der Service am Kunden eine sehr hohe Priorität. Es gab zahlreiche Produkte mit Eigenwerbung zur Kundenbindung.

Nach der deutschen Wiedervereinigung nahm Karstadt das stationäre Geschäft im Osten des Landes wieder auf. Ab Frühjahr 1990 gab es Kooperationsverträge mit zehn "Centrum" und vier "Magnet"-Warenhäusern im Gebiet der DDR, darunter auch Wismar. Davon erhielt Karstadt sechs von der Treuhand zugesprochen. Das Warenhaus in Wismar wurde direkt vom Konzern erworben.

1994 wurde die Hertie Waren – und Kaufhaus GmbH von Karstadt übernommen. Mit dieser Übernahme wurde Karstadt auch Eigentümer mehrerer Grundstücke des jüdischen Kaufhausgründers Wertheim, den die Nationalsozialisten enteignet hatten. Die Erben musste der Konzern später entschädigen. Im Jahr 1999 fusionierten die Karstadt AG und das Versandhaus Quelle zur KarstadtQuelle AG. Sie war zu der Zeit das größte Unternehmen seiner Art in Europa.

Entwicklung bei Karstadt seit dem Jahr 2000

Um das Jahr 2000 gab es 135 Filialen mit einem Umsatz von rund 14 Milliarden Euro. In den folgenden Jahren durchlebte das Unternehmen zahlreiche Veränderungen.

Arcandor AG bis 2009

Im Herbst 2004 erfuhr die Öffentlichkeit, dass sich die Karstadt Warenhaus AG wie auch der gesamte KarstadtQuelle-Konzern in finanziellen Schwierigkeiten befand. Karstadt sah sich den gleichen Herausforderungen ausgesetzt wie der gesamte Einzelhandel.

Im August wurden 2005 aufgrund der noch immer anhaltenden Krise 74 Karstadt-Filialen mit Verkaufsflächen von weniger als 8.000 Quadratmetern im Zuge eines Insolvenzverfahrens geschlossen.

Die Galeria Kaufhof GmbH des Metro-Konzerns gab im Mai 2009 bekannt, 60 der 90 Karstadt-Kaufhäuser übernehmen zu wollen. Ferner leistete die Karstadt-Muttergesellschaft Arcandor aufgrund von Liquiditätsproblemen keine Mietzahlungen mehr.  Am 9. Juni 2009 stellte Arcandor den Insolvenzantrag. Am 7. Juni 2010 erteilte der Gläubigerausschuss von Karstadt der Berggruen Holding den Zuschlag.

Berggruen Holding 2010 – 2014

Nicolas Berggruen kündigte an, Karstadt rechtlich in eine Dachgesellschaft und drei weitere Untergesellschaften aufzuteilen: Sporthäuser, Premiumhäuser und sonstige Warenhäuser.

In der Zeit vom 1. Oktober 2011 bis zum 30. September 2012 realisierte die Unternehmensgruppe einen Verlust von 249,6 Millionen Euro. Davon entfielen 121 Millionen Euro auf Restrukturierungsmaßnahmen, vor allen Dingen für Abfindungen an 2000 Mitarbeiter. In den ersten sieben Monaten des folgenden Geschäftsjahres sank der Umsatz. Im September 2013 wurde bekannt, dass Berggruen die Premium- und Sporthäuser zu je 75,1 Prozent an die österreichische Signa Holding des Investors René Benko veräußerte. Mit dem Erlös sollten die Karstadt-Häuser modernisiert werden.

Verkauf an Signa Holding 2014

Im Sommer 2014 wurde bekannt, dass die Signa Holding mit Sitz in Wien die angeschlagene Warenhauskette übernimmt. Auch alle noch vorhandenen von Nicolas Berggruen gehaltenen Minderheitsanteile an der Karstadt Sports GmbH und der Karstadt Premium GmbH, zu der das KaDeWe in Berlin, das Alsterhaus in Hamburg und das Oberpollinger in München gehören, gingen an die Signa Retail GmbH.

Bereits zwei Monate später gab Karstadt Personaländerungen in Aufsichtsrat und Vorstand bekannt. Im Rahmen dieser Meldung war zu erfahren, dass im Zuge der Sanierung des Unternehmens zwei Warenhäuser in Stuttgart und Hamburg-Billstedt, zwei Schnäppchen-Center in Frankfurt/Oder und Paderborn sowie die "K-Town-Filialen" in Göttingen und Köln geschlossen werden sollten. Geplant war die Entlassung von 2.750 Mitarbeitern; 1.400 Stellen waren schließlich betroffen. Zudem waren Altersteilzeit- und Vorruhestandsregelungen sowie die Einrichtung einer Transfergesellschaft vorgesehen. 2015 wurden weitere Filialen geschlossen.

Ab 2019 René Benko / Signa Holding

René Benko und die Signa Holding übernahmen im Jahr 2019 einen Anteil von 49,99 Prozent von Galeria Karstadt Kaufhof. Der österreichische Investor wollte umfassend in die Häuser investieren. Nachdem er die Karstadt-Gruppe erworben hatte, kaufte er noch die Kaufhof-Häuser. Um den Herausforderungen der Corona-Pandemie und dem ersten Lockdown im Jahr 2020 zu begegnen, wurde ein Schutzschirmverfahren auf den Weg gebracht. Parallel hatte die Geschäftsführung den Tarifvertrag mit Verdi gekündigt. Eine Begründung war die Konsumflaute und die gestiegenen Energiekosten. Um auf die wirtschaftliche Situation zu reagieren, wurden mehrere Filialen in Deutschland geschlossen. Der Standort Wismar blieb erhalten.

Im Jahr 2021 suchte das Unternehmen weiter nach Wegen, die Liquidität sicher zu stellen. Der staatliche Wirtschaftsstabilisierungsfonds stellte einen Kredit über 460 Millionen Euro zur Verfügung und 2022 einen weiteren über 220 Millionen Euro. Im November 2022 betrieb der Konzern Galeria Karstadt Kaufhof mit seinen Vorläufern Karstadt und Kaufhof noch 131 Häuser in 97 Städten. Trotz der bewilligten knapp 700 Millionen Euro an Staatshilfe konnte sich die Geschäftslage nicht erholen. Galeria Karstadt Kaufhof steckte zum dritten Mal seit 13 Jahren im Insolvenzverfahren.

Karstadt und Wismar – Beständigkeit trotz stürmischer See?

Im März 2023 wurde über die über die Zukunft von Galeria Kaufhof entschieden. Das Unternehmen richtete sein Filialnetz neu aus: 52 Filialen mit rund 4000 Mitarbeitenden sollen bis spätestens Januar 2024 schließen. Bundesweit blieben 77 Häuser erhalten, darunter das Stammhaus in Wismar. Das traditionsreiche Haus wird in das neue Konzept des Unternehmens eingegliedert, das Online- und Filialkaufmöglichkeiten sowie eine umfassende Modernisierung vorsieht. Alle Filialen sollen künftig ein Sortiment präsentieren, das stärker auf die lokalen und regionalen Bedürfnisse ausgerichtet ist. Als Mitglied der Wismarer Wirtschaftsgemeinschaft der Hansestadt Wismar ist das Haus in einen mitgliederstarken lokalen Wirtschaftsverband eingebunden. Für Einheimische und Gäste der Stadt bleibt Karstadt weiterhin ein wichtiger Arbeitgeber, Innenstadtmagnet und Einkaufsort und ist damit für Wismar ein Symbol für Beständigkeit.

Gründerzeit für Warenhäuser

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstehen in Deutschland moderne Einzelhandelsgeschäfte. Durch das Bevölkerungswachstum in städtischen Ballungsräumen waren genug Kunden vor Ort und man musste nicht mehr mit den Waren reisen. Die Zahl der Selbstversorger ging zurück und die städtischen Einwohner waren nun auf die Einzelhändler angewiesen. So stieg die Nachfrage zunächst nach Lebensnotwendigem, doch schon bald wollten viele Menschen an der aufstrebenden Konsumgesellschaft des Deutschen Reiches teilhaben. Was als "Weiß-, Woll- und Kurzwarenhandlungen" mit einem ausgesuchten Sortiment begonnen hatte, wurde im Kaiserreich schnell zum "Tempel des Konsums". Die mit vielen Abteilungen versehenen Warenhäuser prägten das Stadtbild und verkörperten auch den Zeitgeist der Gesellschaft.
Die Anfänge des Warenhauses reichen zurück in das Jahr 1852, als Aristide Boucicaut in Paris sein „Au Bon Marché“ eröffnete. Es folgten die "Magasins du Louvre", das "La Samaritaine" und die bis heute berühmten "Printemps" und "Galeries Lafayette". In England starteten 1832 bereits das "Whiteley" und bald darauf "Harrods" und "Selfridges".

In Deutschland entwickelte sich die Warenhaus-Bewegung aus der Provinz heraus. Das erste Kaufhaus in Deutschland war Wertheim in Stralsund. Die Verkaufsregeln waren jetzt feste Preise und ein Umtauschrecht.

Zwei Namen aus der folgenden Liste starteten unabhängig voneinander, sollten aber später zusammenfinden: Karstadt und Althoff.

  • 1873
    Abraham Wertheim
    Stralsund       
    später ab 1938   AWAG → ab 1952 Hertie

  • 1879
    Leonhard Tietz                         
    Stralsund       
    später Kaufhof

  • 1881
    Rudolph Karstadt                     
    Wismar          
    ab 1948 Mecklenburgisches Kaufhaus, 
    1956 HO-Warenhaus → Magnet, ab 1991 Karstadt

  • 1882
    Hermann & Oscar Tietz           
    Gera              
    später Hertie

  • 1885
    Theodor Althoff                        
    Dülmen          
    später Karstadt

  • 1901
    Schocken                                 
    Zwickau          
    ab 1938 Merkur AG → ab 1953 Horten  
            
  • 1902
    Alfred Karseboom                    
    Wismar

Antisemitische Anfeindungen gegen die überall im Reich präsenten Geschäfte führten mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten zum Boykott jüdischer Warenhäuser am 1. April 1933 und der anschließenden Enteignung der Warenhauseigentümer, von der auch Familie Karseboom in Wismar betroffen war.

Kathedralen des Konsums - Die Architektur

Aufgrund der konstruktiven Neuerungen teilten Warenhäuser mit Markthallen, Fabriken, Bahnhöfen sowie Weltausstellungen die Verwendung von Eisen und Glas, um der flexiblen Gestaltung der Lichtzufuhr und der Übersichtlichkeit gerecht zu werden. Die gebaute Scheinwelt im 19. Jahrhundert konnte den Menschen Trost schenken und die Illusion eines perfekten Lebens geben. Religion und Vergnügen, Lebensfreude und Luxus wurden miteinander verknüpft.

Die Zugänglichkeit der einzelnen Warenhäuser in den einzelnen Nationen variierte für die verschiedenen sozialen Schichten. Im Unterschied zu den französischen Grands Magasins, die hauptsächlich für das Publikum der Bourgoisie ihre Tore öffneten, wurde in London das Warenhaus Whiteley´s von den Royals bis zu den Proletariern besucht. In Berlin hatten sich die Häuser auf die Bedürfnisse und die finanziellen Möglichkeiten der verschiedenen Käuferschichten spezialisiert.

In Deutschland konzentrierten sich Hermann und Leonhard Tietz auf die Arbeiter und die Mittelschicht. Die anderen Warenhäuser hatten auch Luxusgüter.

Das Warenhaus wurde zu einem besonderen Bereich für Frauen. Es war öffentlich zugänglich und Frauen aus allen Schichten konnten sich frei bewegen. Sie spielten als Konsumentinnen eine entscheidende Rolle. Gleichzeitig wurden sie auch als Erwerbstätige sichtbar durch die zahlreichen Verkäuferinnen.

In der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg veränderte sich die Architektur der Warenhäuser. Das Warenhaus war kein Palast mehr. Der sachliche Baustil des Bauhauses wurde von fast allen Unternehmen übernommen. Karstadt entwickelte einen eigenen Baustil mit traditionellen Merkmalen wie Lichthöfen und Dachterrassen für Gastronomie. In der Nachkriegszeit wurde das moderne Warenhaus zum Mittel der reinen Bedarfsdeckung.

In Wismar ist das heute unter Denkmalschutz stehende Karstadt-Gebäude das Stammhaus des Unternehmens. Es entstand auf den Grundstücken Krämerstraße 2 und Lübschestraße 1-3, die Karstadt von 1881 bis 1901 erwarb. Hier errichtete er einen Neubau. Er wurde 1907 von dem Wismarer Architekten Johann Busch erstellt und am 23. Mai 1908 eröffnet. Im Inneren gibt es in der Mitte eine zentrale Treppenanlage und einem Personenaufzug.

Bereits 1939 wurde die Fassade des Hauses nach Entwürfen von Philipp Schäfer vereinfacht. Nach Kriegsende 1945 wurde - wie viele andere Karstadt-Häuser auch - die Filiale Wismar enteignet.

Bauliche Veränderungen folgten 1952 und 1971 zur Zeit der DDR. Nach der politischen Wende erwarb der Karstadt-Konzern das Haus zurück. Die geschlossenen Fassaden der Baukörper wurden saniert, indem sie stärker gegliedert und geöffnet wurden. Eine grundlegende Modernisierung war notwendig und erfolgte 2001 mit einer Erweiterung der Verkaufsfläche zur Lübschen Straße Nr. 3 und Nr. 5. Am 1. März 1991 übernahm die Karstadt AG offiziell wieder ihr altes Stammhaus und der Schriftzug „Kaufhaus Magnet“ wurde entfernt.

Eine Umbauphase war nach dreieinhalb Monaten abgeschlossen und das Warenhaus konnte am 29. August 1991 wieder eröffnet werden. Am 14. Mai 2001 erhielt der Platz vor dem Kaufhaus die Bezeichnung „Rudolph-Karstadt-Platz“ und erinnert auf diese Weise an den mutigen Unternehmer, der in Wismar an diesem Tag vor 120 Jahren seine Geschäftstätigkeit startete.

Rudolph Karstadt - "Der Mensch soll nicht stolz sein..."

Rudolph Karstadt wurde am 16. Februar 1856 in eine große Familie in Grevesmühlen geboren. Er hatte drei Geschwister und aus der ersten Ehe seines Vaters noch sieben Halbgeschwister. Das Volkslied "Der Mensch soll nicht stolz sein" von Franz von Suppé soll sein Lieblingslied gewesen sein. Seine Schwester Sophie hat es auf dem Klavier gespielt und dazu gesungen. Mitte der 1870er-Jahre zog die Familie nach Schwerin an den Schweinemarkt. In der Schmiedestraße begann der Vater mit beiden Söhnen ein Manufakturwarengeschäft. Nach einer Ausbildung im väterlichen Unternehmen, einer Färberei mit angeschlossener Warenhandlung, war Rudolph Karstadt bis zum 25. Lebensjahr als Angestellter tätig.

Am 14. Mai 1881 eröffnete er mit einem Kapital von 1000 Talern, das ihm sein Vater geliehen hatte, gemeinsam mit seinen Geschwistern Sophie-Charlotte und Ernst in Wismar unter der Firma seines Vaters, C. Karstadt und Co., ein "Tuch-, Manufaktur- und Confectionsgeschäft" in der Krämerstraße. Das "C" war ein Muss, denn Rudolph war mit 25 Jahren nach der Mecklenburgischen Gewerbeordnung zu jung, um ein selbständiger Kaufmann zu sein.

Er übernahm in seinem Geschäft eine in Frankreich schon bekannte Verkaufspraktik, die in Deutschland noch neuartig war: Waren zu Festpreisen im Barverkauf zu niedrigen Preisen abzusetzen. Zu damaliger Zeit war es im ländlich strukturierten Wismar üblich, Waren zu kreditieren und sogar gegen Naturalien zu tauschen. Als Unternehmer war Karstadt sparsam, gepaart mit der Bereitschaft zum unternehmerischen Risiko. Der Erfolg stellte sich ein. Bereits 1884 konnte Karstadt eine Filiale in Lübeck einrichten, wohin er von Wismar aus umzog. 4 Jahre später eröffnete er eine weitere Filiale in Neumünster (Holstein) und 1890 eine weitere in Braunschweig. In diesen Einzelhandelshäusern verkaufte er Textilien (Stoffe und Kurzwaren), Damen- und Herrenkonfektion sowie Teppiche und Gardinen und auch Schuhe.

Eine weitere Neuerung führte Karstadt nach 1888 ein. Er erkannte die Vorteile eines gemeinsamen Einkaufs für die Filialen. Das Auftragsvolumen ermöglichte den Zwischenhandel auszuschalten und direkt mit den Herstellern zu verhandeln. Diese Vorgehensweise ermöglichte nicht nur günstigere Endpreise für die Käuferinnen und Käufer auszuhandeln, sondern auch die Gewinnmarge zu verbessern. Im damaligen Zentrum der deutschen Damen- und Herrenkonfektion – Berlin – widmete er sich dem Zentraleinkauf.

Bis 1900 konnte Karstadt weitere Kaufhäuser eröffnen, 1893 in Kiel, 1895 in Mölln und 1896 in Eutin. Weitere 13 Geschäfte übernahm er von seinem Bruder Ernst in den Jahren 1900/01.  Dieser hatte seit 1884 an mehreren Orten Mecklenburgs und Pommerns, wie Anklam, Dömitz, Friedland, Greifswald, Güstrow usf. kleinere Kaufhäuser errichtet. Nach der Gründung einer Filiale 1902 in Bremen baute Karstadt 1908 in Wismar ein neues Kaufhaus in Stahlskelettbauweise. Es ist das Stammhaus des Unternehmens. Bis 1920 gehörten 31 Niederlassungen zum Betrieb.

Eine wichtige Stütze war für Karstadt seine 14 Jahre jüngere Frau Auguste, geb. Gerlach (1870-1922), die er 1897 heiratete. Die Verbindung blieb kinderlos.

Nach ihrem Tod trat die Nichte seiner Frau in sein Leben. Zusammen mit der jungen Irmgard (1903-1972) wurde er im 68. Lebensjahr zum ersten und ein Jahr später zum zweiten Mal Vater eines Sohnes. Die Familie zog in Hamburg in ein Haus an der Alster und 1932 nach Schwerin. Nach dem Ausscheiden aus dem Vorstand der Karstadt AG zog es den 76-jährigen in die Heimat zurück. Im Zweiten Weltkrieg fiel der älteste Sohn. Voller Schmerz darüber starb er am 15. Dezember 1944 im Alter von fast 89 Jahren in Schwerin und wurde dort auf dem Alten Friedhof beigesetzt.

Entwicklung zum führenden Warenhaus

Eine Weiterentwicklung der ursprünglichen Konzeption brachte das Jahr 1912. Nach französischen und amerikanischen Vorbildern eröffnete Karstadt in der Mönckebergstraße in Hamburg sein erstes Warenhaus, das sämtliche Artikel des täglichen Bedarfs mit Ausnahme von Lebensmitteln führte. Um seine neue Wirkungsstätte in Gang zu bringen, zog er mit seiner Frau in die Hansestadt und lebte im Hotel Atlantic, um den Aufwand für einen eigenen Hausstand zu sparen und ungestört arbeiten zu können. Parallel dazu baute Karstadt Eigenfabrikationen auf, wie 1911 ein großes Stofflager und ein Jahr später eine Wäsche-Fabrik in Berlin sowie 1919 eine Herrenkleider-Fabrik in Stettin. 

Etwa zur gleichen Zeit wie Rudolph Karstadt übernahm Theodor Althoff (1858-1931) im Jahre 1885 das elterliche Kurz-, Weiß- und Wollwaren-Geschäft in Dülmen (Westfalen). In ähnlicher Weise wie Karstadt schuf er aus kleinsten Anfängen ein Einzelhandelsunternehmen mit zahlreichen Waren- und Kaufhäusern im Rheinland, in Westfalen sowie in Leipzig. Neu war die Aufnahme von Lebensmitteln in Dortmund im Jahre 1904. Bis 1920 gehörten 31 Niederlassungen zum Unternehmen. Im Mai desselben Jahres wurde die Rudolph Karstadt KG in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Diese nahm bald danach die Firma Theodor Althoff in sich auf.

In den 1920er Jahren konnte man bei den Warenhausbetrieben die Tendenz zur „Amerikanisierung“ beobachten. Sie zeigte sich in Expansion, Werbekampagnen und Sonderverkäufen. Der Konkurrenzkampf des Einzelhandels führte wegen der schwindenden Kaufkraft der Deutschen zu zahlreichen Konkursfällen kleinerer Händler. In den Jahren vor dem Vormarsch des Nationalsozialismus bahnte sich daher eine Ablehnung des Warenhauses an.

Karstadt im Nationalsozialismus und Zweiten Weltkrieg

In den Jahren des Dritten Reiches rückte die Kritik an Warenhäusern in den Mittelpunkt der nationalsozialistischen Propaganda. Sie war gegen das Warenhaus als innovative Betriebsform gerichtet, vorrangig weil sie als jüdische Erfindung betrachtet wurden, gegen die Werbung, die die Massen der Käuferinnen und Käufer suggestiv beeinflussen würde, gegen die Nivellierung und die darauffolgende Uniformierung des Lebens der Einzelnen, gegen die in den Warenhäusern vertriebene billigere und angeblich minderwertige Massenware. Ausgehend vom jüdischen Hintergrund zahlreicher Warenhausbesitzer und -angestellter wurde die Kritik propagandistisch umgelenkt, um zu einem Bestandteil des Antisemitismus zu werden. Dies führte zu Boykottmaßnahmen gegenüber jüdischen Betrieben und Warenhäusern. Es kam zu erheblichen Umsatzeinbußen, die an der Substanz der Unternehmen zehrten. Die jüdischen Betriebe wurden schon ab 1933, dem Jahr der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler, nach und nach arischen Käufern, meist ortsansässigen Konkurrenzunternehmen oder intern an Geschäftsführer oder Abteilungsleiter „freiwillig“ verkauft, während deren ehemalige jüdische Besitzer zum großen Teil gerade noch ins Ausland emigrieren konnten, oft völlig mittellos.

Die Rudolph Karstadt AG hatte Warenhäuser und preisgünstige Geschäfte, genannt EPA-Einheitspreis-Aktiengesellschaft. Das Unternehmen kommt in Schwierigkeiten wegen der Weltwirtschaftskrise und den umfangreichen Expansionen in den 20er Jahren. Da das Unternehmen nicht jüdisch war, gewährte das NS-Regime dem Konzern 1933 einen Kredit. Damit war die Sanierung des Unternehmens möglich. Bis 1937 konnten die Auslandsverbindlichkeiten - insbesondere nach Amerika - erheblich reduziert werden. Als Gegenleistung für den Kredit mussten bis zum 1.4.1933 alle jüdischen Angestellten das Unternehmen verlassen. Bis 1935 wurden noch Abfindungen gezahlt. Andere erhielten nach Kriegsende Entschädigungen. Unter den Angestellten gab es NSDAP-Mitglieder und nicht organisierte Angestellte. In der 1933 erstmals erschienenen Hauszeitschrift der Rudolph Karstadt AG erschien nun monatlich ein Zitat Hitlers oder anderer Nazi-Größen. In den ersten Kriegsjahren litt das Unternehmen an personeller Auszehrung. Über 10 Prozent der männlichen und weiblichen Beschäftigten wurden zur Wehrmacht und zu zivilen Diensten einberufen. Das Unternehmen vergaß die Fürsorgepflicht nicht und zahlte den eingezogenen Mitarbeitern eine Beihilfe, die die Differenz zwischen Wehrsold und dem letzten von Karstadt gezahlten Gehalt ausglich.

Hitler war nach 1933 daran interessiert, die wirtschaftlichen Interessen über die Parteiinteressen zu stellen. Die nicht jüdischen Warenhauskonzerne hatten die heftigsten Stürme der Warenhausgegner nach der Machtergreifung Hitlers nur mit Einbußen überstanden, oft waren sie ebenso den Boykottmaßnahmen ausgesetzt wie die Unternehmen der jüdischen Eigentümer. Das konnte oft nur durch schnell geschaltete Zeitungsanzeigen der betreffenden (Karstadt-) Filialen oder Einschreiten der Bürgermeister vor Ort verhindert werden.

Mit Kriegsbeginn am 1. September 1939 musste der Einzelhandel im Rahmen der Kriegswirtschaft ein Lagerbuch für Textilien führen. Neue einheitliche Kalkulationssätze wurden für das gesamte Reichsgebiet vorgeschrieben, was zur Folge hatte, dass sämtliche vorrätige Ware umgezeichnet werden mussten. Die Versorgungslage spitzte sich zu. Die bezugsscheinpflichtigen Textilien konnten nur noch bis zur Hälfte des bisherigen Umsatzes eingekauft werden. Weitere Maßnahmen im Krieg waren die Beschlagnahmung von fast der Hälfte der konzerneigenen Kraftfahrzeuge und die Abgabe des firmeneigenen Erholungsheims in Schierke/Harz an die Wehrmacht.

Im Rahmen des am 30. Januar 1943 vom Reichswirtschaftsministerium herausgegebenen Erlasses, der die Schließung und Zusammenlegung von Einzelhandelsbetrieben anordnete, musste die Rudolph Karstadt AG insgesamt 14 Filialen schließen, unter anderem Anklam, Celle, Cuxhaven, Güstrow und Schwerin. Dömitz wurde mit Ludwigslust zusammengelegt, Karstadt Greifswald als Kriegsbetriebsgemeinschaft mit dem Kaufhaus Albert Erdmann am Markt (heute Hugendubel).

Der Zweite Weltkrieg endete für das Unternehmen mit einer niederschmetternden Bilanz: 22 Filialen und sonstige Vermögenswerte in der sowjetischen Besatzungszone sowie in den von Polen und der UdSSR verwalteten deutschen Ostgebieten wurden enteignet. In den drei westlichen Besatzungszonen sowie in Berlin (West) verblieben 45 Karstadt-Verkaufshäuser. Sie waren bis auf 14 Standorte entweder vollständig zerstört, ausgebrannt oder schwer beschädigt. Davon waren drei unversehrte Häuser von der jeweiligen Besatzungsmacht beschlagnahmt (unter anderem Celle und Mölln).

Wiederaufbau und Wirtschaftswunder - Die Nachkriegsjahre

In der Nachkriegslandschaft war das Warenhaus nicht mehr Ausdruck einer zukunftsorientierten Gesellschaft. Es wurde nun stattdessen Mittel der reinen Bedarfsdeckung.

Die im Krieg zerstörten Filialen der großen Warenhauskonzerne wurden in den westlichen Besatzungszonen schnell wieder aufgebaut und erweitert, um der wachsenden Nachfrage gerecht zu werden. Der gesamte Einzelhandel bemühte sich, den Nachholbedarf einer zuvor vom unfreiwilligen Verzicht auf Konsum geprägten Gesellschaft zu befriedigen. Das Schicksal von Karstadt war stets auf das engste mit der deutschen Volkswirtschaft verbunden.

Nach den Ereignissen in den letzten Kriegstagen ergaben sich personelle Probleme für die Unternehmensleitung. Einzelne Personen waren politisch nicht mehr tragbar, andere warteten auf ihre Rehabilitierung. In der Sowjetischen Besatzungszone wurden bis 1949 alle Kaufhäuser enteignet. Auch der Hinweis der Geschäftsleitung auf Beteiligungen von ausländischem Kapital aus den USA, Großbritannien und der Schweiz konnte die Enteignungen nicht verhindern.

Die Währungsreform 1948 führte in den westlichen Besatzungszonen zum wirtschaftlichen Aufschwung. Die Einkommen stiegen und der zunehmende Konsum der Bevölkerung führte zu guten Umsätzen. Werbung spielte wegen der günstigen Konjunkturlage noch keine wesentliche Rolle. Die notwendige Voraussetzung für die stetige Aufwärtsentwicklung bei Karstadt war die Instandsetzung der beschädigten Filialen und der Neubau der zerstörten Häuser und damit die Schaffung von Verkaufsflächen.

Der Geschäftsbericht von 1948 bemerkt, dass trotz der nicht unerheblichen Kriegsverluste und der instabilen Währungsverhältnisse nach dem Krieg die Rudolph Karstadt AG im Fundament stabil sei: „wir verfügen zu Beginn der neuen Währungszeit über etwa zwei Drittel unserer ursprünglichen Geschäftskapazität, über eine erprobte Organisation und vor allem über einen Stamm treuer und bewährter Mitarbeiter, der uns durch alle Nöte des Krieges und der Nachkriegszeit hindurch erhalten geblieben ist.“ Das gute soziale Klima in der Belegschaft war keineswegs nur dem Geist der neuen Zeit zu verdanken, sondern hatte Tradition bei der Rudolph Karstadt AG. Es wurde 1950 über die Tarifsätze hinaus entlohnt, es gab Weihnachtsgratifikationen, Kinderbeihilfen, Prämien für Unfallversicherungen, Kantinen-Zuschüsse, Kur- und Ferienaufenthalte, bezahlte Krankentage und andere freiwillige Sozialleistungen.

Das Karstadt-Haus in Wismar wurde vor der Gründung der DDR am 16. Januar 1948 Volkseigentum. Proteste der Rudolph Karstadt AG in Essen blieben wirkungslos. Ab dem 9. August 1948 firmierte das Stammhaus unter „Mecklenburgisches Kaufhaus, volkseigener Betrieb Wismar“. 1956 erhielt das Haus die Bezeichnung „HO-Warenhaus“, später Kaufhaus Magnet. Andere ehemalige Karstadt-Häuser in Ostdeutschland wie Görlitz und Leipzig werden in den 60iger Jahren zu Centrum- Warenhäusern.

1950 hat die Zentrale in Essen auf unbestimmte Zeit eine Verbesserung der Versorgungslage der Karstadt- Ruheständler in der DDR angestrebt. Der Vorstand beschloss am 18. Januar 1950, ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der DDR monatlich ein Lebensmittelpaket im Wert von 20 Deutsche Mark zukommen zu lassen.

In der BRD wurde 1956 das 75-jährige Firmenjubiläum gefeiert: Die AG einschließlich der Kepa Kaufhaus GmbH überschritt erstmals die Umsatzmilliarde. Die Zahl der Filialen betrug 49, bei den preisgünstigen Kepa-Geschäften 51, mit insgesamt 30.750 Mitarbeitern.

In der Betriebsordnung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Rudolph Karstadt Aktiengesellschaft aus dem Jahre 1959 steht im Vorwort: „…In uns allen ist die Erinnerung an die Nachkriegsjahre noch nicht verblasst. Von sämtlichen Mitarbeitern, gleichgültig an welcher Stelle sie auch immer gestanden haben, ist außerordentliches zum Wiederaufbau der Firma geleistet worden…“ Auf dem Einband sind noch die Wappen von Wismar und Dülmen zu sehen.  

1963 änderte sich der Firmennamen von Rudolph Karstadt AG in Karstadt AG. Sämtliche Filialen, auch jene, die noch den Namen des Mitbegründers Althoff tragen, firmierten einheitlich unter Karstadt.

In den späten sechziger Jahren erreichte Karstadt eine ungewollte politische Aufmerksamkeit , als Mitglieder der RAF am 2. April 1968 die Warenhäuser Scheider und Karstadt in Frankfurt am Main in Brand setzten.

Die Karstadt AG bezog 1969 die neue Hauptverwaltung in Essen-Bredeney.