Hilfsnavigation
Seiteninhalt

Der Tapetensaal im Welt-Erbe-Haus

Im Zuge der umfassenden Umgestaltung des Hauses um 1820 lässt der Wismarer Bürgermeister Gabriel Lembke im Nordzimmer des 1. Obergeschosses einen festlichen Tapetensaal einrichten.

Der Tapetenzyklus zeigt die mythologische Geschichte »Reisen des Telemach auf die Insel Calypso« in einer Adaption des französischen Dichters François Fénélon (1699).

Nach dieser Erzählung entwarf der Künstler Xavier Mader zwischen 1815-20 die Vorlage für die Panoramatapete, die 1823 von der Pariser Manufaktur Dufour&Leroy hergestellt wurde. Für die Tapete mussten 2087 Druckstöcke geschnitten und 87 Farben angerieben werden – ein aufwendiges und kostspieliges Verfahren. »Gedruckte« Raumausstattungen waren zu Beginn des 19. Jahrhunderts für das gehobene Bürgertum in Mode gekommen und Ausdruck einer neuen Weltoffenheit.

Kunstgeschichtlich handelt es sich bei der Tapete um eine Seltenheit, die die Bedeutung und finanzielle Kraft des Wismarer Bürgertums unterstreicht. Fragmente der Bildertapete des gleichen Zyklus’ sind sogar in den Archiven des Metropolitan Museum of Art in New York zu finden.

Der Tapetensaal in der Lübschen Straße 23 strukturiert sich durch ein umlaufendes Holzpaneel. 25 Bahnen mit einer Breite von je 53 cm, insgesamt 64 qm, werden zu fünf nahezu quadratischen Bildtafeln zusammengefügt. Alle Felder sind durch gedruckte Bordüren gerahmt. Über beiden Flügeltüren befindet sich je eine Supraporte, die Szenen mit dem Gott Cupido zeigen. Eine Bleistift-Inschrift »1828 am 20. August. Tapezirer H. Fölker« auf dem Fachwerkständer in der Nordostecke des Saals gibt Auskunft über die Einbringung der wertvollen Tapete.

In Besitz der Familie Lembke blieb das Haus und der Tapetensaal bis zum Tode des Kunstsammlers Oskar Lembke 1923. Im selben Jahr erwarb die Kaufmanns-Compagnie das Ensemble. Der Tapetensaal diente als Ort für repräsentative Zusammenkünfte. Zu DDR-Zeiten nutzt der Kulturbund den Tapetensaal für Veranstaltungen, wie Lesungen, Liederabende oder kleine Konzerte. Besonders in diesen Jahrzehnten wird das hochwertige Interieur in der Wismarer Bevölkerung bekannt.

 

Im November 1995 wird die Tapete von Unbekannten aus der Wandbefestigung herausgeschnitten und entwendet. Dank des großen Medienechos gelang es wenige Wochen später, die Tapete wieder sicherzustellen und der Denkmalpflege zu übergeben. Anschließend lagerte sie im Stadtarchiv und wurde im Zuge der Sanierungsarbeiten durch die Restauratoren Jens Zimmermann und Eckard Kobelius, die sich bereits für den Tapetensaal in Stralsund verantwortlich zeichneten, aufgearbeitet.

Seit der Wiedereröffnung des Gebäudeensembles der Lübschen Straße 23 als UNESCO-Welt-Erbe-Haus ist der Tapetensaal zu den Öffnungszeiten zugänglich. Darüber hinaus ist er für besondere Veranstaltungen der Stadt Wismar reserviert und kann auch für private Festlichkeiten, wie Hochzeiten, angemietet werden.