Wie sich ritterlich-höfisches Ideal und göttlicher Wille in einer Existenz miteinander verbinden, das versinnbildlicht Parzival, der Titelheld des gleichnamigen Versepos von Wolfram von Eschenbach. Das um 1300 verfasste Werk war zu seiner Zeit eine literarische Sensation und gehörte zu den meistgelesenen Schriften des Mittelalters.
Die Gnade Gottes führt Parzival letzlich zum Gral, in dem der Dualismus von Gott und Welt aufgehoben wird.
„Ist Unentschiedenheit dem Herzen nah, so muss der Seele daraus Bitterkeit erwachsen. Verbindet sich – wie in den zwei Farben der Elster – unverzagter Mannesmut mit seinem Gegenteil, so ist alles rühmlich und schmachvoll zugleich. Wer schwankt, kann immer noch froh sein; denn Himmel und Hölle haben an ihm Anteil. Wer allerdings den inneren Halt völlig verliert, der ist ganz schwarzfarben und endet schließlich in der Finsternis der Hölle. Wer dagegen innere Festigkeit bewahrt, der hält sich an die lichte Farbe des Himmels.
Dieses geflügelte Gleichnis erscheint törichten Menschen allzu flink. Sie erfassen seinen Sinn nicht: es schlägt Haken vor ihnen wie ein aufgescheuchter Hase. Es ist wie der Spiegel und der Traum des Blinden, die ja nur ein flüchtiges, oberflächliches Bild geben, ohne greifbaren Gegenstand dahinter. Ihr trüber Schein ist unbeständig, und sie machen wirklich nur kurze Zeit Freude. Wer mich an der Innenfläche der Hand rupfen wollte, wo doch nie ein Haar wuchs, der müsste schon sehr nahe greifen können, sehr gewitzt sein. Riefe ich da vor Schrecken noch ach und weh, gäbe das ein trauriges Bild von meinem Verstande. Was suche ich aber auch gerade dort Beständigkeit, wo es in ihrer Natur liegt zu verschwinden, wie die Flamme im Quell oder der Tau in der Sonne!“
aus: Wolfram von Eschenbach, Parzival, Prolog. Übersetzt ins neuhochdeutsche von...