Der Gründungsabt des Zisterzienserklosters Cîteaux brachte seinen Orden zu hoher Blüte. Er hatte großen Einfluss auf kirchliche und weltliche Machthaber, auch in der Auseinandersetzung um die Lehren von Petrus Abaelard. Erfolgreich arbeitete Bernhard von Clairvaux am Zustandekommen des Zweiten Kreuzzugs (1147-1149).
Zugleich wandte er sich jedoch gegen die weltliche Herrschaft der Päpste und empfahl diesen Armut, Demut und die Beschränkung auf das religiös-kirchliche Gebiet. Bernhard von Clairvaux gilt als Begründer der mittelalterlichen Christus-Mystik.
„Und es ist nicht verwunderlich, wenn ein Mensch, der sich nicht kümmert, was er sagt, und in die Geheimnisse des Glaubens eindringt, die verborgenen Schätze der Frömmigkeit so ehrfurchtslos angreift und zerpflückt, da seine Gedanken über die Frömmigkeit des Glaubens weder fromm noch gläubig sind. Schließlich bezeichnet er am Beginn seiner „Gotteslehre“ – oder eher „Torheitslehre“ den Glauben als eine Meinung. So kann es darin gewissermaßen jedem freistehen zu denken und zu sagen, was ihm beliebt, und die Sakramente unseres Glaubens schwanken unsicher in unsteten und mannigfachen Vermutungen, statt auf sicherer Wahrheit zu fußen.
Ist nicht unsere Hoffnung nichtig, wenn der Glaube ein Spielball der Meinungen ist? Töricht waren also unsere Märtyrer, wenn sie für Unsicheres solche Qualen auf sich nahmen und nicht zauderten, durch einen bitteren Tod eine lange Verbannung anzutreten, wenn die Aussicht auf Belohnung zweifelhaft ist.
Aber fern sei der Gedanke, dass in unserem Glauben oder in unserer Hoffnung, wie er glaubt, irgendetwas aufgrund seiner zweifelhaften Meinung auf unsicheren Füßen steht; dass sich nicht vielmehr jeder Glaubensinhalt auf die sichere und feste Wahrheit stützt, durch Prophezeiungen und Wunder von oben bestätigt, gefestigt und geweiht durch die Geburt der Jungfrau, durch das Blut des Erlösers und den Glanz des Auferstandenen. „Diese Zeugnisse sind treu bewährt“ (Ps 92,5). So „bezeugt“ schließlich „der Geist selber unserem Geist, dass wir Kinder Gottes sind“ (Röm, 8, 16). Wie kann es also jemand wagen, den Glauben eine Meinung zu nennen, außer wenn er diesen Geist noch nicht empfangen hat oder das Evangelium nicht kennt oder für eine Fabel hält?
„Ich weiß, wem ich geglaubt habe und bin sicher“ (2 Tim 1,12), ruft der Apostel, und du zischelst mir ins Ohr: „Der Glaube ist eine Meinung“? Was für uns das Sicherste ist, darüber schwätzst Du mir wie über etwas Ungewisses? Ganz anders aber spricht Augustinus: „Der Glaube besteht nicht darin, dass der, der in hat, im Herzen, in dem er sich regt, eine Vermutung oder Meinung hat, sondern er ist ein sicheres Wissen, gestützt auf das Gewissen“ (Augustinus, De Trinitate, XIII.3). Weit von uns gewiesen sei also der Gedanke, dass der christliche Glaube Grenzen haben könnte! Es sind dies Ansichten der Akademiker, deren Eigenheit es ist, an allem zu zweifeln und nichts zu wissen.
Ich aber halte mich getrost an das Wort des Lehrers der Völker und weiß, dass ich nicht beschämt werde. Ich gestehe, mir gefällt seine Definition des Glaubens, auch wenn unser Mann da sie insgeheim anzweifelt. „Glaube“, sagt er, „ist ein Feststehen, in dem, was man erhofft, und ein Überzeugtsein von Dingen, die man nicht sieht“ (Hebr 11,1). „Feststehen in dem, was man erhofft“, nicht die Einbildung leerer Vermutungen! Du hörst, dass er von „Feststehen“ spricht; es ist dir also nicht erlaubt, über den Glauben irgendeine Meinung zu äußeren oder nach Belieben zu diskutieren, nicht unstet bald nach der einen, bald nach der anderen Seite in törichten Meinungen und abwegigen Irrtürmern zu schwanken.
Mit dem Wort „Feststehen“ wird dir etwas Sicheres und Festes eingeprägt; du wirst in sicheren Grenzen eingeschlossen und innerhalb fester Grenzlinien gehalten, denn der Glaube ist nicht Meinung, sondern Gewissheit.“
aus: Brief von Bernhard von Clairvaux an Papst Innozenz über jene Irrlehren des Petrus Abaelard. Zitiert nach: Sämtliche Werke Bd. III