Der frühscholastische Philosoph und Reformtheologe verfasste unter anderem das „Gespräch eines Philosophen, eines Juden und eines Christen“. Sein Traum: Eine Menschheit, die sich über alle Glaubensgegensätze hinweg auf die Suche nach Gott macht.
Auch in Glaubensfragen setzte Abaelard auf die Vernunft: „Indem wir nämlich zweifeln, ... erfassen wir die Wahrheit“. Mit diesem modernen Standpunkt näherte er sich der biblischen Überlieferung und kirchlichen Lehrsätzen. 1141 wurden Abaelards Schriften als ketzerisch verurteilt.
„Liebe Schwester Heloisa, einst mir teuer in der Welt, nun erst ganz teuer in Christus: um der Logik willen bin ich der Welt verhaft. Die blinden Blindenleiter, deren Weisheit Verderben ist, behaupten nämlich, in der Logik sei ich zwar wohlbewandert, aber im Paulus – da hinke ich stark. Und während sie meinen Scharfsinn preisen, verdächtigen sie die Reinheit meines Glaubens. Denn, wie mir scheint, folgen sie nur ihrem Vorurteil, statt durch die Erfahrung sich leiten zu lassen.
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Ich glaube an den Vater, Sohn und Heiligen Geist, an den von Natur einen und wahren Gott, der in seinen Personen die Dreieinigkeit so darstellt, dass er in seiner Wesenheit stets die Einheit bewahrt. Ich glaube, dass der Sohn in allem dem Vater gleich ist, an Ewigkeit, Macht, willen und Werk. Ich folge nicht dem Arius, der verblendeten Sinns, ja, von teuflischem Geist verführt, Stufen in der Dreieinigkeit annimmt, indem er lehrt, dass der Vater größer, der Sohn kleiner sei und das Gebot vergisst: „Du sollst nicht auf Stufen zu meinem Altar heraufsteigen.“ Denn auf Stufen steigt zum Altar Gottes empor, wer ein Früher und Später in der Dreieinigkeit setzt. Auch den Heiligen Geist bekenne ich als wesensgleich und eins mit dem Vater und dem Sohne wie denn meine Schriften vielfach erklären, dass ihm der Name der Liebe zukomme. Ich verdamme den Sabelius, der behauptet, dass Vater und Sohn ein und dieselbe Person seien und dass der Vater gelitten habe, woher seine Anhänger Patripassianer heißen.
Ich glaube auch, dass der Gottessohn zum Menschensohn geworden, dass er, obwohl eine Person, aus und in zwei Naturen besteht. Der, nachdem er seine Aufgabe in der angenommenen Menschennatur erfüllt hatte, gelitten hat, gestorben und auferstanden ist, aufgefahren gen Himmel, von dannen er wieder kommen wird, zu richten die Lebendigten und die Toten.
Ich behaupte auch, dass in der Taufe alle Sünden vergeben werden, dass wir der Gnade bedürfen, um das Gute anzufangen und zu vollenden, und dass die Gefallenen durch Buße wiederhergestellt werden. Über die Auferstehung des Fleisches aber – was brauche ich darüber zu sagen, da ich mich des Christennamens vergeblich rühmen würde, wenn ich nicht glaubte, dass ich auferstehen werde?“
aus: Der Briefwechsel mit Heloisa [1]